Einleitung
2. Son Fornés als Lebensraum
Bis vor 4500 Jahren waren die Balearen noch unbesiedelt, dann landeten die ersten Bewohner auf Mallorca. Während der prähistorischen Zeit entwickelten sich auf den Balearen Gemeinschaften mit eigenen Organisationsformen, ohne den Kontakt zu den Nachbar-Gesellschaften zu verlieren. Im Laufe der Zeit stellte das Meer immer weniger ein Hindernis dar. Dadurch verloren die Balearen viel von ihrer Selbständigkeit und nahmen in den politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnissen in dieser Region des Mittelmeeres fast immer einen zweitrangigen Platz ein.
Mallorca ist mit einer Ausdehnung von 3640 km2 die viertgrösste Insel des westlichen Mittelmeeres. Mit Bergen und Gipfeln von über 1000 m Höhe, Binnentälern und Küstenflachland weist die Landschaft ein vielgestaltiges Relief auf. Dies beeinflusst sowohl die Art der Niederschlägen, die zwischen 350 und 1400 mm pro Jahr schwanken, als auch die Temperaturen und die Vegetation. Dementsprechend bietet die Vegetation ein vielfältiges Bild. Die heutige Bevölkerungszahl beträgt 900.000 Einwohner. Die grosse touristische Attraktivität Mallorcas führt jedoch dazu, dass sich diese Zahl im Sommer fast verzehnfacht.
Der Gemeindebezirk von Montuïri ist reich an archäoloigischen Fundstätten. Die Mehrzahl wurde durch Zufall entdeckt und manche wurden leider schwer beschädigt. Trotz allem bieten sie eine ausgezeichnete Grundlage um unsere Vergangenheit kennenzulernen und stellen damit ein gemeinschaftliches Erbe da, das es für die zukünftigen Generationen zu erhalten gilt.
3. Chronologischer Vergleich
4. Forschungsgeschichte in Son Fornés
Son Fornés ist einer Entscheidender Fundort, um die Geschichte Mallorcas zu verstehen. Die Forschungen wurden 1975 vom der Archäologer Vicenç Lull begonnen und seitdem hat das Forschungsteam weiter erweitet. Die Untersuchungen Son Fornés gehen heuzutage unter der wissenschaftliche Leitung der ASOME Forschungsgruppe der Autonomische Universität Barcelona (UAB) weiter. Das Archäologisches Museum Son Fornés zentralisiert alle Feld- und Laboruntersuchungen, sowie die Konservierung und Restaurierung des Fundortes.
Talaiotische Zeit (850 – 550 vuZ)
5. Die talaiotische Phase. Eine Gesellschaft inmitten von 2000 Tonnen Steinen
6. Cyclopen aus Stein
Die “Talaiots” sind die bekanntesten und gleichzeitig mysteriösesten Monumente der balearischen Inseln. Ihr häufiges Vorkommen, ihr imponierender Anblick und ihr ungewisser Ursprung haben seit Jahrhunderten das Interesse der Bevölkerung und der ersten Geschichtsforscher geweckt. Über diese grossen Gebilde ist viel spekuliert worden: “Maurische Aussichtstürme” ( “atalaya” = “talaiot”), heidnische Tempel, Grabmale der Herrscher oder Wohnsitz der Riesen. Die Entwicklung der Archäologie seit Beginn des 20. Jahrhunderts machte bessere Beschreibungen möglich, aber die “Talaiots” weigerten sich weiterhin, ihre Geheimnisse zu offenbaren.
Josep Sanz, Lehrer von Montuïri in der Mitte des 20. Jahrhunderts, konnte sich kaum vorstellen, dass diese wenig sichtbaren Ruinen, in denen er seinen Schülern die Vergangenheit Mallorcas erklärte,viele Antworten auf die Rätsel der “Talaiots” geben würden. Es ist hauptsächlich seinem Interesse für die Kultur und seiner Beharrlichkeit zu verdanken, dass das archäologische Forschungsprojekt Son Fornés 1975 ins Leben gerufen wurde. Es hatte zum Ziel, die Funktion dieser Bauten zu ergründen und die Gesellschaft, die sie errichtete, kennenzulernen. Son Fornés nimmt eine zentrale Stellung nicht nur in der Geographie der Insel sondern vor allem im Bereich der mallorquinischen Archäologie ein, da dieser Ort bis heute den am weitest erforschten talaiotischen Fundort darstellt. Von Bedeutung ist vor allem der grösste und best erhaltene Talaiot von Mallorca (Talaiot Nr. 1) sowie eine umfangreiche Darstellung von Häusern und Geräten, die uns das Leben des prähistorischen Volkes dieser Insel näher bringen. Dennoch bestehen weiterhin ungelöste Fragen. Die Forschungen werden fortgesetzt und ohne Zweifel erwarten uns neue und interessante Entdeckungen.
7. Son Fornés: eine talaiotische Siedlung, ca. 850-550 Jahre vor unserer Zeitrechnung
8. Die Gesellschaften zur Zeit der “Talaiots”
Die talaiotische Gesellschaft entwickelte sich in einer Zeit, in der viele Staaten des Mittlemeeres entstanden oder sich festigten. Zudem entfaltete sich ein Netz von Fernhandelsbeziehungen, das teilweise unter dem Einfluss phönizischer und griechischer Expansion mit kolonialem und komerziellem Interesse entstand. Dennoch hielten sich die Balearen weitgehend am Rande dieser tiefgreifenden Veränderungen. Ihre Tauschbeziehungen begrenzten sich auf den Handel von Metallen (Zinn und möglicherweise Kupfer) mit Zentral- und Nordwesteuropa.
9. Das talaiotische Mallorca
Zu Beginn des 1. Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung durchlebte die balearische Bevölkerung eine kritische Phase ihrer Geschichte. Seit uralter Zeit war die Rolle der Männer und Frauen in der Gesellschaft von den verwandtschaftlichen Beziehungen bestimmt worden: von wem man abstammte und wen man heiratete, war entscheidend für jeden Menschen. Diese Lebensweise verlor jedoch zugunsten neuer Normen, bei denen es wichtiger war, wo man geboren wurde und wo man lebte, nach und nach an Bedeutung.
So wurde in der talaiotischen Zeit das alte, “unbegrenzte” und in seiner Erscheinung einzigartige Inselterritorium in politische Einheiten untergliedert, welche die Menschen an bestimmte Wohnorte banden. Es entstanden grössere Siedlungen und früher unbewohnte Gebiete wurden nun besiedelt. Einige Dörfer erlangten grössere Bedeutung und entwickelten sich zu Zentren, von denen andere kleinere Siedlungen derselben Region abhängig waren. In diesen neuen Gemeinschaften entstanden solidarische Verhältnisse, die auf gegenseitiger Unterstützung beruhten und die einige Jahrhunderte bestehen blieben.
10. Son Fornés zur Zeit der “Talaiots”
Die Luftaufnahme des archäologischen Fundortes von Son Fornés zeigt die derzeit ausgegrabene Fläche. Die talaiotischen Baureste erscheinen in orange.
Son Fornés ist eine talaiotische Siedlung von etwa zwei Hektar Grösse. Man kennt drei “Talaiots”, von denen zwei vollständig erforscht sind. Neben den “Talaiots” errichtete man verschiedene zusammenhängende Häuser, die von starken gradlinigen Mauern umgeben waren. Der bis heute ausgegrabene Bereich nimmt weniger als 10 % der Gesamtfläche der Original-Siedlung ein.
Die Siedlung hatte etwa 300 bis 400 Einwohner, die von der Zucht von Rindern, Schafen, Ziegen und Schweinen lebten. Die Menschen wohnten in den Häusern und trafen sich in den “Talaiots”, wo sie gemeinschaftlichen Tätigkeiten nachgingen. Das soziale Leben bewegte sich zwischen gemeinschaftlicher Arbeit und dem kollektiven Nutzen seiner Erträge.
11. Das alltägliche Leben in der Siedlung
Ungefähr 850 vor unserer Zeitrechnung suchte eine Gruppe von Menschen einen Siedlungplatz im Pla von Mallorca, einem bis dahin unbesiedelten Gebiet im Innern der Insel. Sie wählten einen kleinen Hügel und gründeten darauf eine Siedlung, die wir heute unter dem Namen Son Fornés kennen.
Über 300 Jahre lang lebte diese talaiotische Gemeinschaft in Son Fornés. Sie war in häuslichen, weitgehend selbstversorgenden Einheiten organisiert. Diese bestanden aus 5 bis 10 wahrscheinlich miteinander verwandten Mitgliedern.
Jede Hauseinheit verfügte über die notwendigen Geräte, um Speisen zubereiten und servieren zu können, um Keramik herzustellen und um Kleidungsstücke anzufertigen. Darüber hinaus waren sie für die Pflege der Säuglinge verantwortlich.
Die Solidarität war spürbar: keine Haus-Gemeinschaft nutzte für eigene Zwecke die Arbeit der Anderen aus.
12.
13. Treten wir ein in das talaiotische Haus Nr. 5
Zugangstreppe – Feuerstelle – Pfostenbasis – Mauer
14. 40 m2, 7 Personen, 25 Gegenstände
Mit diesen wenigen Gegenständen war eine Hausgemeinschaft von 5 bis 10 Mitgliedern in der Lage, den Grossteil ihrer alltäglichen Bedüfnisse zu befriedigen.
15. Zu Hause hergestellt
Keramik – Stein – Korbflechterei – Knochen – Leder
Keiner dieser Gegenstände wurde von spezialisierten Handwerkern, sondern von den einzelnen Hausgemeinschaften, je nach Bedarf, angefertigt. Diese Geräte wurden aus Rohstoffen hergestellt, die jeder ohne Schwierigkeiten in der näheren Umgebung finden konnte (z.B. Stein, Ton, Knochen, Holz, Pflanzenfasern). Die einzigen Ausnahmen bildeten Geräte aus Bronze – da es auf den Balearen an Zinn mangelt mußten diese aus anderen Regionen Zentral- und Westeuropas importiert werden.
16. Das Tages-Menu
Jede Hauseinheit konnte nur eine geringe Menge an Getreide speichern. Dies läßt vermuten, dass der Grossteil der täglichen Ernährung durch Viehzucht und Sammeln von Wildfrüchten gedeckt wurde. Über eine landwirtschaftliche Produktion aus dieser Periode gibt es keine sicheren Erkenntnisse.
17. Die Errichtung eines “Talaiot”: eine Gemeinschaftsaufgabe
1.) Die Kalksteinschichten der Umgebung bieten das Baumaterial für die Errichtung der “Talaiots”.
4.) Einige Steinblöcke wogen mehr als 9 Tonnen.
5.) Das Herausbrechen und Transportieren der Blöcke erforderte die Zusammenarbeit vieler Menschen.
8.) Man benutzte einfache Werkzeuge wie Seile, Keile und Brechstangen aus Holz.
9.) Nur mit grosser Anstrengung gelang es den Arbeitsmannschaften die kreisförmige Aussenmauer dieses Monumentes mit Hilfe grosser Blöcke aufzubauen.
12.) Die Errichtung eines “Talaiot” erforderte zusätzlich die Koordination der grundlegenden Tätigkeiten der Gemeinschaft: Kinderbetreuung, die Beaufsichtigung der Tierherden und die Zubereitung von Speisen.
13.) Das Dach wurde aus Lehm und Zweigen angefertigt und ruhte auf Olivenholzbalken.
1 6.) 50 Personen, 2 Monate Arbeit , 2000 Tonnen Gestein.
18. Der ” Talaiot”: ein Mehrzweckraum
Die “Talaiots” hatten nicht nur eine, sondern mehrere Funktionen. Zudem wurden, trotz ihres ähnlichen Aussehens, nicht alle für dieselben Zwecke genutzt.
19. Überwachung und Verteidigung des Territoriums
Die Siedlung von Son Fornés beherrschte eine weites Gebiet in “Es Pla”, der Zentralebene von Mallorca. Andere kleinere und strategisch plazierte Siedlungen waren von ihr abhängig. Gemeinsam bildeten sie eine einzige politische Einheit. Von den Dachterrassen der “Talaiots” aus hatte man eine weite Aussicht, so dass die Bewegungen von Menschen und Tierherden überwacht werden konnten. Darüber hinaus gewährten die robusten Talaiots Schutz bei Konflikten mit anderen politischen Einheiten. Man nimmt an, dass solche Auseinandersetzungen aufgrund von Streitigkeiten um den Zugang zu Weidegebieten und Wasser entstehen konnten.
Symbol einer Gemeinschaftlichkeit
Alle Funktionen der “Talaiots” hätten auch in viel einfacheren Gebäuden ausgeführt werden können. Scheinbar wollte man jedoch mit diesen gewaltigen Türmen einen Eindruck von monumentaler Grösse erzielen. Auf diese Weise symbolisierte der “Talaiot” auch den Zusammenhalt und die Kraft der Gemeinschaft, die sie errichtete und für kollektive Zwecke nutzte.
20. Talaiot 1
Der Talaiot Nr. 1 wurde als Ort zum Schlachten und Zerlegen von Tieren, hauptsächlich von Schweinen und Rindern, genutzt. Die Fleischportionen wurden dort gleich verteilt und später in den Häusern verspeist. Ebenfalls fanden gemeinschaftliche Feste statt, bei denen man Fleisch, hauptsächlich vom Schwein, verzehrte. Diese öffentlichen Feiern stärkten die Solidarität und die Beziehungen ganz allgemein zwischen den Menschen.
21. Talaiot 2
Im Talaiot Nr. 2 fanden Versammlungen statt, in denen für das Gemeinschaftsleben wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Vielleicht wurden dort auch Zeremonien durchgeführt, wie Initiationsriten oder Gedenkfeiern anläßlich bedeutender Ereignisse. Bei diesen Versammlungen nahm man Getränke aus besonderen Gefässen zu sich. Nur wenige Personen nahmen daran teil, was dafür spricht, dass es sich um politische oder religiöse Treffen mit begrenztem Zugang handelte.
22.
Nach Jahrhunderten der Stabilität geriet die talaiotische Gesellschaft (wann?) in eine Krise. Die solidarischen Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung brachen zusammen und gewisse soziale Gruppen begannen die Arbeitsverhältnisse und den Zugang zu den Ressourcen des Landes zu kontrollieren. So begann auf den Balearen eine Phase von gesellschaftlichen Konflikten, die das Zusammenleben in Son Fornés unmöglich machte. Die Folge war die Zerstörung und Aufgabe der Siedlung.
Post-Talaiotische Zeit (550 – 250 vuZ)
23. Die Zeit nach den “Talaiots”. Der Beginn der sozialen Ungleichheit
24. Eine konfliktreiche Epoche
Die Kämpfe um die Kontrolle des Mittelmeeres
Während des 5., 4. und 3. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechung befand sich das Mittelmeer in einer Epoche grosser Erschütterungen, die von der expansionistischen Politik einiger grosser Staaten wie Karthago, Rom und Mazedonien, verursacht wurden. Dies spiegelt sich in der grossen Anzahl militärischer Auseinandersetzungen wider, die das Mittelmeer zu einem blutigen Schauplatz machten. Letztenendes ging Rom als das mächtigste Reich daraus hervor. Obwohl sich Mallorca und Menorca am Rande der wichtigsten Kriegsgebiete befanden, nahmen viele Einwohner an unzähligen militärischen Feldzügen als Söldner in den karthagischen Armeen teil.
Während der post-talaiotischen Periode wurden die meisten der früheren Siedlungen wieder bewohnt und umgestaltet. Die “Talaiots” hatten ihre ursprüngliche Funktion verloren und viele von ihnen waren sogar verfallen. Die räumliche Anordnung der Häuser veränderte sich, ohne dass heutzutage irgendein regelmässiges Muster zu erkennen wäre.
Das post-talaiotische Mallorca.
Das Inselterritorium war in politische Einheiten aufgeteilt, die von einer bestimmenden sozialen
Schicht beherrscht wurde. Waffenfunde und die Reste befestigter Siedlungen, einige sogar mit Türmen oder Bollwerken versehen, deuten an, dass die Herrscher ihre Privilegien mit Gewalt verteidigten und dass sie sich gelegentlich die Überwachung des Territoriums gegenseitig streitig machten. Dies verhinderte jedoch keineswegs, dass politische Bündnisse geschlossen wurden. Sie führten zur Festigung der einzelnen politischen Einheiten, zur Aufrecherhaltung der Handelsbeziehungen und zu weitreichenden Abkommen über die Teilnahme an Feldzügen ausserhalb der Inseln.
Die als “Heiligtümer” bezeichneten Bauten waren von besonderer Bedeutung und hatten möglicherweise eine zeremonielle Funktion, ähnlich wie die berühmten “Taulas” von Menorca. Die post-talaiotischen Bestattungsriten, die man hauptsächlich in natürlich vorkommenden Höhlen oder in künstlich aus dem Felsen geschlagenen Kammern durchführte, sind uns recht gut bekannt.
25. Leben inn-und außerhalb der Mauer
Mitte der 6. Jarhundert vor unserer Zeit wurde das Talaiotische Viertel von Son Fornés komplett aufgegeben, das Lebensraum wechselte zu dem höchsten areal der Siedlung und eine kreisformige ziklopische Ringmauer ca. 3 m breit wurde gebaut. In zussamenhang mit der Ringmauer wurden auch ein Turm und ein Strebpfeiler-system festgestellt, die möglicherweise ein Wachhaus beinhalten hätten. Die Erbauung solche defensive Strukturen ist in mehrere Siedlungen Mallorca und Menorca bestätigt und es stellt eine Reaktion auf einen Krisenzeit in beiden Inseln dar. Diese turbulente Periode führte letzendlich zu der Entstehung einer neuen Gesellschaft, die wir Heute als “Postalaiotische Gruppe” kennen.
In sehr kurzer Zeit wuchs die postalayotische Siedlung über die Ringmauer hinaus und neue Gebäude wurden auf den Ruinen der alten Talayotischen Niederlassung errichtet. Einiger dieser neuen strukturen verwendeten die Überreste der alten talayotischen Mauern, jedoch anderen wurden mit einem völlig neuen Grundriss gebaut.
Die postalayotische Gemeinschaft besetzte Son Fornés von dem späten 5. bis zur 3. Jahrhundert vor unserer zeit, als eine Kombination von soziale Unruhe und markante Inestabilität in der Region, führte zu tief greifende Veränderungen in der Organisation der Gesellschaft. Die Ringmauer war in dieser Zeit nicht mehr nötig und wurde daher aufgegeben, nur 150 Jahre nach ihrem Bau. Mehr archäologische Ausgrabungen sind erforderlich, um neue Daten über die Natur der Ummauerte Siedlung zu sammeln und die Beziehung zwischen dieser und den Häusern und Heiligtümern außerhalb der Siedlungsmauer besser zu verstehen.
26 + 27. Treten wir ein in das post-talaiotische Haus 1
Eine post-taialotische Hausgemeinschaft verwendete täglich weit mehr Gegenstände als eine aus der talaiotischen Zeit, obwohl in beiden eine ähnliche Anzahl an Menschen lebte.
Die beachtliche Speicherkapazität eines jeden Hauses war Folge einer Steigerung der Nahrungsmittelerzeugung, die jetzt auf Landwirtschaft und Viehzucht beruhte
28. Die häusliche Ausstattung
Möglicherweise wurde ein Teil der von den Hausgemeinschaften von Son Fornés erwirtschafteteten Produkte für den Unterhalt der Führungsmitglieder der post-taialotischen Gesellschaft verwendet.
So könnten einige Machthaber in den noch unerforschten Vierteln von Son Fornés gelebt haben, während andere in grösseren und befestigten Siedlungen wohnten.
Die Mehrzahl der Gegenstände waren aus lokalen Rohstoffen hergestellt (Ton, Stein, Holz). Was Bronze- und eventuell Eisengegenstände betrifft, war man jedoch weiterhin vom Aussenhandel abhängig. Nach und nach stieg auch der Gebrauch und Konsum von exotischen Artikeln, wie Glasperlen und Wein aus Ibiza.
29. Die post-talaiotiscche Gesellschaft: Die Anfänge der sozialen Ungleichheit
Ackerbau und Viehzucht
Die Ernährung wurde durch den Anbau von Getreide und einer vielseitigen Viehzucht gewährleistet. Die Entwicklung der Landwirtschaft wirkte sich auch auf andere Produktionsbereiche und auf die Organisation der Arbeit in der Gemeinschaften aus.
Der Gewinn einiger Weniger
In der post-talaiotischen Gesellschaft wurde die wirtschaftliche Solidarität, die auf Gemeineigentum beruhte und die in der talaiotischen Periode noch Vorrang hatte, durch privates Familieneigentum ersetzt. In diesem neuen System bemächtigte sich eine soziale Schicht eines Teiles der Güter, die von der “enteigneten” Bevölkerung hergestellt wurden. Diese wirtschaftlichen Privilegien erlaubten es dieser herrschenden Gruppe, eine bessere Lebensqualität zu geniessen, sowie Waffen und kostspielige Schmuck- oder Kultgegenstände aus Glas und Metall zu erwerben
30. Die Steinschleuderer: Söldner im Dienste Karthagos
Zahlreiche balearischen Truppenkontingente, die berühmten Steinschleuderer, kämpften als Söldner Karthagos in verschiedenen Kriegen auf Sizilien und der italienischen Halbinsel. Die Steinschleuderer waren berühmt im Altertum wegen ihrer Kampfleistung, die durch ein langes Training in ihren Heimatorten erreicht wurde. Angeblich bekamen diese Soldaten vor allem Wein und Frauen als Bezahlung für ihre Dienstleistung und lehnten jede Form der Vergütung in Geld ab.
31. Stiere und Krieger
Der herrschende Klasse rühmte Werte wie Agressivität und physische Stärke. Darauf weisen die Bronzefiguren hin, die Stiere und bewaffnete nackte Männer darstellen und vielleicht Götter oder Helden beschwörten. Die öffentlichen Bräuche fanden auf Mallorca in besonderen Gebäuden, den “Heiligtümern”, statt und wurden möglicherweise von einer Priesterkaste durchgeführt. Die dominierende Rolle des Mannes im Krieg und in der Ideologie spiegelt mit großer Sicherheit eine patriachalische Gesellschaft wieder. Auf der anderen Seite wurden alte Bestattungssitten aus vor-talaiotischer Zeit wieder aufgenommen, wie zum Beispiel die Verwendung von natürlichen oder künstlich angefertigten Höhlen als gemeinschaftliche Grabstätten. Dies deutet auf eine erneuerte Bedeutung der Verwandtschaftsgruppen hin, die jedoch dieses Mal von Reichtumsunterschieden gekennzeichnet sind.
Bronzekrieger von Son Gelabert, Bronzestier von Son Cresta. Heiligütmer 1 (rechts) und 2 (links) von Son Fornés (Montuïri)
Klasische Zeit (250 vuZ – 100 nuZ)
32. Das Mittelmeer wird zum Mare Nostrum
Nach dem Sieg über Karthago im Zweiten Punischen Krieg (218-201 vor unserer Zeitrechnung) konnte Rom sich unbehindert zur einzigen Grossmacht im Mittelmeer entfalten. Es setzte unaufhaltsam seine militärische Expansionspolitik nach Osten und Westen fort, unterwarf gewaltsam andere Gesellschaften und setzte seine eigene politische und wirtschaftliche Struktur durch. Die römischen Eroberungen verwandelten das Mittelmeer in das Mare Nostrum (“Unser Meer”). Die fortdauernden Kriege und Landaneignungen hatten entscheidende Auswirkungen auf die römische Gesellschaft. Wärend die kleinen Landbesitzer verarmten, gewann eine zahlenmäßig kleine soziale Klasse von Grossgrundbesitzern und Händlern immer mehr an Macht. Diese Klasse besass riesige Landgüter, auf denen hunderte von Sklaven und Sklavinnen arbeiteten und eine für den Markt bestimmte Massenproduktion erwirtschaftet wurde.
Die militärische Besetzung der Balearen ereignete sich im Jahre 123 vor unserer Zeitrechnung. Unter Konsul Quinto Cecilio Metelo landete auf den Inseln ein Heer unter dem Vorwand, der Piraterie in diesem Teil des Mittelmeeres ein Ende zu schaffen. Rom gründete zwei Städte auf Mallorca, Palma und Pollentia, die zu den wichtigsten Stützpunkten für die Beherrschung der Insel wurden.
33. Römisches Mallorca
Die römische Eroberung hatte weitreichende Auswirkungen. Diese zeigten sich nach und nach in der Gestalt einer Gesellschaft, die seit dem 3. Jahrhundert durch Umbrüche geprägt war. Die einheimischen Gemeinschaften hatten die post-taialotische Organisationsform überwunden, und an ihrer Stelle begann sich ein Gesellschaftsmodel durchzusetzen, das in Gebieten wie Nordafrica, Italien und Sizilien weit verbreitet war. Eine zahlenmäßig kleine soziale Klasse besass grosse landwirtschaftliche Betriebe, die Waren für den Handel produzierten und in denen abhängige Frauen und Männer unter sehr harten Bedingungen arbeiteten.
Am Ende des 1 Jahrhunderts unserer Zeitrechnung, als das Römische Reich am Höhepunkt seiner Macht stand, verloren die balearischen Inseln an wirtschaftlicher Bedeutung, da das Getreide aus der iberischen Halbinsel und, vor allem aus Nordafrika, viel reichlicher und billiger war. Die Besitzerklasse der Balearen änderte die Ausrichtung ihrer wirtschaftlichen Interessen und viele Siedlungen wie Son Fornés wurden verlassen.
34. Son Fornés in klassischer Zeit: Die punischen und römischen Einflüsse (ca. 250 vor bis 100 nach unserer Zeitrechnung)
Ende des 3. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung wurde die post-talaiotische Siedlung von Son Fornés zerstört und an ihrer Stelle entstanden neue Gebäude.
Die bis heute gemachten Entdeckungen stammen vom Rande der Siedlung. Im Gegensatz zu früheren Perioden, entspricht jetzt nicht mehr jeder Raum einem “Haus”. Die Ausgrabungen haben eine Reihe von Zimmern zum Vorschein gebracht. Sie dienten unterschiedlichen Aktivitäten, wie der Herstellung von Textil- oder Keramikwaren und der Zubereitung und Lagerung von Nahrungsmitteln.
Zu jener Zeit war Son Fornés wahrscheinlich Teil eines Landgutes, das einem Grossgrundbesitzer und Sklavenhalter gehörte.
35. Importkeramik – Einheimische Keramik
Obwohl immer mehr Qualitätsware aus Italien, der Iberischen Halbinsel und Ibiza importiert wurde, ging unter der römischen Vorherrschaft die alte Töpferei ohne Drehscheibe nicht verloren. Diese Stetigkeit macht das Fortleben der traditionellen Technologien deutlich.
36. Eine weite Reise
Seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts erscheinen in Son Fornés, als Folge der Eingliederung der Balearen in die römische Wirtschaftsstruktur, zunehmend grössere Mengen von Amphoren.
Die Amphoren waren in Serie hergestellte Keramik-Behälter. Gewöhnlich enthielten sie Nahrungsmittel (Wein, Öl, eingemachter Fisch), die für den Handel bestimmt waren. Das am meisten genutzte Transportmittel war das Schiff, das grosse Ladungen relativ schnell über weite Entfernungen bewegen konnte.
Die Mehrzahl der in Son Fornés gefundenen Amphoren enthielten Wein. Zusammen mit diesen Amphoren wurden oft auch importierte Trinkgefässe erwoben, mit denen man den Wein zu sich nahm.
Die Herkunft der in Son Fornés gefundenen Amphoren.
37. … Und es erschien das Geld
Eine der Folgen der römischen Herrschaft war die Einführung von Geld als Mittel, um Handelsverhältnisse zu regeln und um Steuern einzutreiben. Auf diese Weise gerieten die traditionellen Tauschbeziehungen in eine Krise.
Neue Technologien
In dieser Zeit verbreiteten sich spezialisierte Werkzeuge aus Eisen, wie Rebmesser oder Sicheln. Diese Werkzeuge ermöglichten eine Steigerung der Produktivität in der Landwirtschaft. Die Rohstoffe und vielleicht die Werkzeuge selbst mussten wohl durch Handel erworben werden.
Dieser Mühlentyp ist möglicherweise auf Sizilien im 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung entwickelt worden und stellte ein für diese Zeit sehr fortschrittliches Werkzeug dar. Seine Einführung auf der Insel bedeutete eine wichtige Steigerung der Produktivität, da man in nur 5 Minuten die selbe Menge an Getreide mahlen konnte, wie in einer Stunde mit den alten flachen Mahlsteinen der post-talaiotischen Zeit.
Die Knochen erzählen
Die neu eingeführten Produktionsverhältnisse bewirkten eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung, die von der Klasse der Eigentümer ausgebeutet wurde.
So machen es die Überreste zweier Frauen und eines ihrer Kinder hin deutlich, die ärmlich im 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung am Rande von Son Fornés begraben wurden.
Frühmittelalterliche (V – VI nuZ)
38. Son Fornés, Zeuge des Orients
Auf der politischen Karte des Mittelmeeres sind die Eroberungen des Byzantischen Reiches während des 6. Jahrhunderts zu sehen.
Die Herkunft der in Son Fornés gefundenen Importwaren.
Nach etwa drei Jahrhunderten Siedlungsaufgabe, wurde Son Fornés zu Beginn des 5. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung wieder bewohnt.
Damals begann eine Zeit grosser Erschütterungen für die Gesellschaften des Mittelmeeres. Als Folge innerer Konflikte und äusserer Bedrohung stand das Weströmische Reich kurz vor seiner Auflösung. Um 450 überfielen die Vandalen die “Insulae Balearis” und gliederten sie, mit Karthago als Hauptstadt (heutiges Tunesien), ihrem Reich ein.
Jahre später, etwa 534, eroberte das byzantische Heer das vandalische Reich, und die Balearen wurden von nun an durch den Kaiser Justinian von Konstantinopel (heutiges Istanbul) aus regiert.
Man weiss wenig von dem, was ab dem 7. Jahrhundert geschah, als das byzantische Reich einen Grossteil seiner westlichen Gebiete verlor.
Um 903 wurde die Inselgruppe in das Kalifat der Omeyaden von Al-Andalus eingegliedert.
Son Fornés wurde, wie viele andere talaiotische und post-talaiotische Plätze in Zentralmallorca, zu Beginn des 5. Jahrhunderts durch eine kleine ländliche Gemeinschaft wiederbesiedelt. Diese Bevölkerung wollte jedoch nicht abgeschlossen sein in einer Welt, die sich schnell veränderte. Ihr Wohlstand erlaubte es ihnen an weiten Handelsnetzen und Tauschbeziehungen mit fernen Ländern teilzunehemen.
39. María zeugte Christus
Detaill von einem Mosaik aus dem Palast des Kaiser Justinian (Konstantinopel), wo man dieselbe Art von Amphore sieht, wie sie in Son Fornés gefunden wurde.
Ausser kommerziellen Zwecken zu dienen, vermittelte diese Amphore auch Ideen. Zu dieser Zeit war das Christentum eine Lehre mit zahlreichen theologischen Polemiken, durch die tieferliegende politische und wirtschaftliche Konflikte zum Ausdruck kamen.
Die griechische Aufschrift versichert, dass Jesus Christus ein menschliches Wesen war, da er von einer Frau, Maria, gezeugt wurde. Möglicherweise ist diese Botschaft von einem Anhänger des Nestorianismus geschrieben worden, einer Lehre, die Anfang des 5. Jahrhunderts im Oströmischen Reich entstand. Sie wurde als Ketzerei bezeichnet und im Konzil von Efesos, im Jahr 431, verurteilt. Nach dieser Lehre waren in Christus zwei Personen vereint: eine göttliche und eine menschliche. Demnach war Maria nur die Mutter eines Menschen und nicht Gottes.
In der Zeit als sich die Amphore mit ihrer Botschaft verbreitete, wurden der Nestorianismus und seine Folgeerscheinungen verfolgt. Sie wiederspachen dem orthodoxen Christentum, das die Macht des Kaisers hinter sich hatte und nach dem Christus zwei Wesen und eine einzige Person war.
40. Das Ende unserer Geschichte
Um 624 verlor das Byzantinische Reich seine Gebiete auf der iberischen Halbinsel und 689 jene in Nordafrika. Somit wurden die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem östlichen und dem westlichen Mittelmeer zeitweilig unterbrochen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Balearen weiterhin Teil des Byzantischen Reiches blieben, obwohl es ebenfals möglich ist, dass sie wärend der nächsten zwei Jahrhunderten unabhängig waren und eine Gesellschaftsform entwickelten, die uns noch unbekannt ist.
Letzendlich, als das Kalifat von Cordoba die Balearen 903 besetzte, war Son Fornés praktisch ein verlassener Ort.